Im Reich der digitalen Supermodels
Eine digitale Model-Agentur möchte mit virtuellen Supermodels die Modebranche aufmischen; die durchdesignten Avatare sind bereits in grossen Kampagnen zu sehen. Die Idee dazu hatte ein branchenmüder Fashion-Fotograf beim Bemalen von Barbie-Puppen.
Bei jemandem, der sich leidenschaftlich für Youtube-Filme übers Stylen von Barbie-Puppen interessiert und diese schliesslich selbst bepinselt, vermutet man zunächst wohl keinen erwachsenen Mann. Der 32-jährige Cameron Wilson ist indessen alles andere als ein Kind: Mit einem kleinen Team hat er die Modelagentur The Diigitals gegründet, die sich auf die Kreation und Vermittlung digitaler Supermodels spezialisiert hat. Ein visionäres Projekt: Die Agentur bietet damit einen Ausblick in eine mögliche digitale Zukunft der Modeindustrie. Wilsons Stimme verrät indessen einen Menschen mit jugendlichem Gemüt und der kreative Kopf verfügt über eine kindliche Neugierde, die vielen Menschen im Laufe des Erwachsenwerdens abhandengekommen sein dürfte. Doch wie kommt ein erwachsener Mensch und erfolgreicher Modefotograf dazu, sich überhaupt mit Barbiepuppen zu beschäftigen?
Als jemand, der mit seinem eigenen Aussehen immer gehadert hat, verkörpern Barbies für mich eine universelle Schönheit
«Nach acht Jahren als erfolgreicher Modefotograf, kehrte ich dem Beruf zuerst einmal den Rücken», sagt Wilson. Er fühlte sich kreativ festgefahren und habe gemerkt, dass er kaum Einfluss auf die Foto-Shootings nehmen konnte. «Ich lebte wieder bei meiner Mutter und wusste nicht, was ich mit dem Leben anfangen soll.» Auf der Suche nach einer Beschäftigung für seinen kreativen Geist, stiess er auf Youtube-Videos übers Stylen von Barbiepuppen. «Ich wurde besessen davon», sagt er und bezeichnet seine Faszination als eine Form von Eskapismus. «Als jemand, der mit seinem eigenen Aussehen immer gehadert hat, verkörpern Barbies für mich eine universelle Schönheit», sagt er. Seine Verwandten hätten seine Obsession zwar etwas befremdlich gefunden. Beirren liess er sich aber nicht und begann, selbst Barbiepuppen zu verschönern. Allerdings habe ihm dafür die Fingerfertigkeit gefehlt. «Ich suchte nach einer 3D-Software, die mir erlaubte, dasselbe mit virtuellen Modellen zu tun». Fündig würde er in einem Programm («Daz 3D»). Die Software erlaubte Wilson, Modelle nach eigenen Wünschen zu formen und sie mit vielen Details auszugestalten.
Virtuelle ausserirdische Schönheiten
«Du beginnst mit einem Grundmodel, das wie eine blanke Schaufensterpuppe aussieht, und arbeitest ihre Eigenschaften heraus», erklärt er den Prozess. Er passt den Hautton an, verändert die Augenfarben, fügt Sommersprossen hinzu, definiert den Körper. Als erstes virtuelles Supermodel erschuf Wilson «Shudu» – eine schwarze Schönheit mit perfekter Haut, manchmal verletzlichem, dann wieder laszivem Blick und dem perfekten langen, schlanken Körperbau von Laufstegmodels. «Als Inspiration für meine Kreationen dienen mir die Supermodels der 1980er- und 90er-Jahre», erklärt Wilson. Man könne die Figuren bis zu Aliens verfremden. Tatsächlich kreierte Wilson mit Galaxia ein ausserirdisches Model. Ein bis zwei Wochen braucht Wilson, bis die Grundeigenschaften eines neuen Models ausgeformt sind. Bis zum endgültigen Finish vergingen nochmals mehrere Wochen, sagt er.